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einmal Kaffee mit Internet, bitte - Christian, Salzburg
vorn ist da wo wir sind 2
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Weihnachtsfeier
„Für mich zum Schotter!“, daran muss ich immer denken, wenn ich mich nach einer Dusche lufttrocknen lasse. Ich muss zugeben, dass ich einige Eigenheiten aus Filmen kopiert habe. Nackt stehe ich also vor einem Elektrostrahler und lasse mich von Heißluft trocknen. Es ist wunderbar, die Wärme in Kombination mit der entstehenden Kühle, die beim Verdunsten entsteht, zu fühlen. Damit gelingt es mir zu meiner Mitte zu finden – die Priorität vom Kopf in den Körper zu verlagern. An der Tür klingelt es, ich beobachte mich im Spiegel, schwenke den letzten Schluck Whiskey im Kristallglas und trinke ihn in einem Zug aus – alles betont lässig, ebenfalls kopiert, jedoch aus einem Buch. Die Glocke klingelt zum zweiten Mal, ich werfe mir den mit Blut verschmirrten Pelzmantel über und gehe Richtung Wohnungstür.
Oh ja, das komplette kreative Kollektiv hat sich zu einem vorweihnachtlichen Stell-dich-ein zusammengefunden. Ich gebe das hellste Lächeln zum Besten, während wir uns bei Küsschen auf den Mund – Zeremonie, ebenfalls kopiert – begrüßen. Für den ersten Smalltalk habe ich Cocktails mit Schirmchen kredenzt. Pe trinkt, ich mustere neidisch seinen Kunststoff-Trenchcoat mit Leopardenmuster. Nachdem er Plastic Planet gesehen hat, ist er nach England gereist um sich aus dem vom Strand gesammelten Kunststoffgranulat einen massangefertigten Mantel schneidern zu lassen. Sensationeller Umweltaktivismus, selbst wenn sich dabei der Flug nicht vermeiden ließ. Dazu trägt er eine Fliegersonnenbrille, wie wir anderen auch, die er das ganze Wochenende nicht abnehmen wird.
Ich unterhalte mich mit Herrn Pe und verfolge aus dem Augenwinkel eine Diskussion zwischen De und Ce. Sie tragen beide ihre Vollbärte in exakt gleicher Länge. De hat seinen Kopf kahl geschoren und ich entnehme ihre Unterhaltung, dass De Herrn Ce zu überzeugen versucht, es ihm gleich zu tun. Er behauptete, dass es das Wichtigste sei, in einem Kollektiv, Einigkeit auch durch Haarschnitt nach aussen zu tragen. Frau El unterstützt mit Argumentationsketten die Aussagen von Herrn De. Sie verzeiht Ce’s Versuche nicht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Bei der Abstimmung den Film des Jahres zu küren, habe ich das Ergebnis leider verpasst, da ich Enter the Void nicht kannte. Ich beschloss den Film sofort zu sehen, schaffte aber nicht mehr als das Intro. Beim fünften Vaniliekipferl und zigfachen Loop des Intros machte es in meinem Kopf Klick, dann Fade Out. Als ich wieder zu mir kam, war es nacht und friedlich. Das ganze Kollektiv lag, wie ein gestylter Haufen junger Hunde, schlafend und sich umarmend bei Kerzenlicht übereinander – alle kahl geschoren, überraschenderweise. Ich beobachtete sie eine Weile. Danach beschließe ich, mir eine Dusche mit Luftrocknung zu gönnen und flüsterte den Anderen, „Frohe Weihnachten, alles Gute und viele neue Likes“ zu.